Krankenkassen gehen davon aus, dass ein Teil der Krankenhauseinweisungen von Bewohnern aus Pflegeheimen vermieden werden könnte, wenn die ärztliche Versorgung außerhalb der Praxisstunden optimiert würde. Auch die Praktiker in Pflegeeinrichtungen berichten über lange Wartezeiten auf den Bereitschaftsdienst und über mangelnde geriatrische Erfahrung der diensthabenden Ärzte. In verschiedenen Modellprojekten wurden daher in den vergangenen Jahren Lösungswege erprobt.
AOK Pflegenetz zur Versorgung von Personen in Pflegeheimen
Die AOK verfolgte in Bayern den Ansatz einer integrierten Versorgung unter dem Stichwort „ AOK – Pflegenetz“. Dieses Modell wurde über 3 Jahre getestet und von der verantwortlichen Krankenkasse als erfolgreich befunden. Aktuell wird von der AOK gemeinsam mit der IKK auch im Rheinland an der Umsetzung dieses Modells gearbeitet.
Beteiligte an diesem Vertrag sind Krankenhäuser, Haus- und Fachärzte sowie Pflegeheime. Wesentliche Aufgabe der Krankenhäuser ist es, für einen reibungslosen Informationsfluss im Rahmen der Überleitung Sorge zu tragen.
Die Hausärzte übernehmen die Steuerung des Behandlungsprozesses und verpflichten sich, die eingeschriebenen Versicherten der AOK und IKK werktäglich in der Zeit von 8:00 – 21:00 Uhr, an Wochenenden und Feiertagen in der Zeit von 8:00 – 20:00 Uhr zu betreuen. Darüber hinaus haben sie feste Besuchszeiten mit den teilnehmenden Pflegeheimen abzusprechen und ihre Anordnungen schriftlich zu dokumentieren. Für die zusätzlichen Einsätze außerhalb ihrer regulären Sprechzeiten erhalten die Ärzte eine gesonderte Vergütung von der Krankenkasse.
Die Pflegeheime verpflichten sich die Koordination der Versorgung durch die Hausärzte zu unterstützen, eine Pflegefachkraft zur geriatrischen Fachkraft weiterzubilden, einen festen Ansprechpartner für alle an der Versorgung Beteiligten zu benennen und zur Optimierung des Schnittstellenmanagements beizutragen. Darüber hinaus ist das Pflegeheim verpflichtet, Versicherte und Angehörige über die Integrierte Versorgung zu beraten, und die erforderlichen Unterlagen zu verwalten sowie vor Krankenhauseinweisungen stets mit dem beteiligten Haus- oder Facharzt Rücksprache zu halten.
Alle Beteiligten verpflichten sich gleichermaßen die in einem Handbuch festgelegten Behandlungspfade umzusetzen und anzuwenden.
Konkret bedeutet dieser integrierte Versorgungsvertrag für die Beteiligten:
Das Krankenhaus leistet, wozu es ohnehin schon gesetzlich verpflichtet ist.
Der niedergelassene Arzt organisiert eine Verfügbarkeit in der Zeit zwischen 8.00 und 21.00 Uhr und erhält seine zusätzlichen Leistungen entsprechend vergütet.
Das Pflegeheim • qualifiziert einen Mitarbeiter und trägt die Kosten • Leistet zusätzliche Beratungsarbeit sowie die damit verbundene Verwaltungsarbeit und trägt die Kosten • Reorganisiert seine pflegerischen Abläufe entsprechend den Behandlungspfaden für die Versicherten, die bei der AOK und der IKK versichert sind (z.B. Dehydrationsprophylaxe etc.), schult durchgreifend alle Mitarbeiter darin und trägt die Kosten • Selektiert seine Bewohnerschaft nach Krankenkasse und nach eingeschrieben/ nicht eingeschrieben • Selektiert die eingeschriebenen Bewohner nach behandelnden Ärzten eingeschrieben/ nicht eingeschrieben • reorganisiert sein Notfallmanagement und führt den selektierten Zielgruppen entsprechend unterschiedliche Verfahrensanweisungen ein, die ebenfalls die Wochentage und Tageszeiten berücksichtigen. • Schult alle Mitarbeiter durchgreifend in den Verfahrensanweisungen • Entwickelt ein Controlling, damit die vertraglichen Verpflichtungen eingehalten werden können und trägt die Kosten
Geriatrischer Praxisverbund
Eine deutlich bessere Lösung scheint hier von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) entwickelt worden zu sein. Das Modell der KVB wurde inzwischen auch vertraglich mit der AOK Bayern geregelt und von der Barmer GEK unter dem Stichwort „Pflegeheimvertrag“ im Oktober dieses Jahres übernommen.
In diesem Modell schließen sich Haus- und Fachärzte zu einem Praxisverbund bezogen auf ein Pflegeheim zusammen. Sie gewährleisten eine tägliche Anwesenheit von 2 Stunden zu festgelegten Zeiten durch einen teilnehmenden Arzt in der Pflegeeinrichtung. Die beteiligten Ärzte organisieren eine 24-Stunden-Bereitschaft für das Altenheim und versorgen alle Bewohner ungeachtet der Kassenzugehörigkeit. Darüber hinaus verpflichten sich die Ärzte an geriatrischen Fortbildungen teilzunehmen und so ihr Fachwissen zu erweitern. Durch eine standardisierte Dokumentation wird der Austausch zwischen Ärzten und Pflegeheim geregelt.
Für die teilnehmenden Ärzte bedeutet dies eine Entlastung des Einzelnen. Nicht jeder Arzt muss jeden Tag und auf Abruf in das Pflegeheim. Für die Pflegeeinrichtung bedeutet dies eine medizinische Betreuung der Bewohner Rund-um-die-Uhr und eine planbare tägliche Präsenz durch vertraute Ärzte. Der zusätzliche Aufwand der Pflegeeinrichtung beschränkt sich im Wesentlichen auf die Einführung einer gemeinsamen standardisierten Dokumentation.
Wir meinen
Es wäre zu wünschen, dass viele Vertreter stationärer Pflegeeinrichtungen sich aktiv mit dem Thema der medizinischen Versorgung befassen und mit den niedergelassenen Ärzten, den kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen das Gespräch suchen. Die Sicherstellung der medizinischen Versorgung von Menschen im Heim ist primär eine Aufgabe der Krankenkassen und Ärzte. Es wäre fatal, wenn einzelne Kostenträger durch die Hintertür – schließlich wollen wir ja alle das Beste für unsere Bewohner - Kosteneinsparungen auf dem Rücken der Pflegeheime erwirtschaften würden. Pflegeheime haben längst keine Ressourcen mehr für zusätzliche Bürokratie oder unentgeltliche „Freundschaftsdienste“ für Kostenträger und andere Leistungsanbieter. Jede Minute Zeitaufwand mehr für Verwaltungs- und Organisationsaufgaben geht zu Lasten der direkten Pflege und Betreuung der im Heim lebenden Menschen. Und um die geht es am Ende immer noch.
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