Zugang zur Alten- und Krankenpflege mit Hauptschulabschluss möglich. Öffnung für Hauptschüler wird weiter kontrovers diskutiert. Baden-Würtemberg geht mit neuem Landespflegegesetz voran.
2010
In 2010 hat das Land Baden-Württemberg als erstes Bundesland in Deutschland handfeste Konsequenzen aus der demographischen Entwicklung und dem drohenden Fachkräftemangel in der Pflege gezogen. Das Landespflegegesetz wurde überarbeitet und am 6. Mai 2010 in das parlamentarische Verfahren eingebracht. Kernmerkmal des neuen Gesetzentwurfes ist eine starke Durchlässigkeit in den Pflegeberufen. Schulabgänger ohne Schulabschluss sollen als Betreuungsassistenten den Einstieg in die Pflege finden und damit auch gleichzeitig einen Hauptschulabschluss erzielen können. In der persönlichen Karriereplanung stehen ihnen dann weitere Qualifizierungsschritte zur Pflegefachkraft oder zum Bachelor Studiengang offen.
Wir meinen
Baden-Württemberg hat damit einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan. Die sinkende Zahl junger Menschen wird zu einem steigenden Wettbewerb aller Branchen um den Nachwuchs führen. Es ist illusorisch zu glauben, dass sich die Schulabgänger in Scharen ausgerechnet für den Pflegeberuf entscheiden werden. Objektiv betrachtet wird es immer andere Branchen geben, die deutlich bessere Rahmenbedingungen für Auszubildende und Studenten bieten können. Der Weg für die Pflege muss daher eine stärkere Differenzierung in den Anforderungs- und Aufgabenprofilen sein und daraus resultierend eine abgestufte Qualifizierung. Um so wichtiger erscheint es uns, eine eigene Vertretung der Profession Pflege zum Beispiel in Form von Pflegekammern einzurichten, die eine systematische Entwicklung und Überwachung der Qualifikationsprofile steuern.
2009
Am 17. Juli 2009 wurde eine Änderung im Krankenpflegegesetz wirksam, die Schulabgängern der Hauptschule mit dem 10. Schuljahr die Tür für die Pflegeberufe öffnet. Nun können also Realschüler und Hauptschüler mit dem 10. Schuljahr sich für einen Ausbildungsplatz in der Kranken- oder Altenpflege bewerben. Die Öffnung der Zugangsvoraussetzungen wird in 2015 überprüft und ist bis 2017 befristet. Die demographische Entwicklung lässt vermuten, dass der Bedarf an qualifizierten Pflegefachkräften auch in den nächsten Jahren weiter steigt. Vorgaben wie die 50% Fachkraftquote in Altenheimen, sind von den Trägern an manchen Orten kaum zu erfüllen, da es einfach keine Fachkräfte auf dem Markt gibt. Berufsverbände und Gewerkschaften weisen seit Jahren auf den Fachkräftemangel hin. In diesem Kontext kann auch die Gesetzesänderung betrachtet werden. Eine Öffnung der Berufe für Hauptschüler soll helfen, genügend junge Menschen zu finden, die sich für diesen Beruf interessieren. Berufsverbände wie der DBFK laufen gegen diese Öffnung Sturm. Sie befürchten, dass damit die Professionalisierung in Gefahr gerät und Menschen in diesen Beruf gelangen, die den hohen Erwartungen an Pflege heute nicht gerecht werden. Zum anderen scheint eine Absenkung der Zugangsvoraussetzungen nicht im Einklang mit den berufspolitschen Anstrengungen der Verbände zu stehen, den Krankenpflegeberuf zu akademisieren. Der DBFK ruft daher dazu auf, eine Petition im Bundestag zu unterstützen, die eine Revision der gesetzlichen Änderung zum Ziel hat.
Unser Standpunkt
Ein Hauptschulabschluss nach 10 Jahren sollte vergleichbar sein mit einem Realschulabschluss. Grundsätzlich ist die Durchlässigkeit im Bildungssystem zu verbessern und jungen Menschen alle Möglichkeiten offen zu lassen. Wir sehen nicht, warum eine junge Frau oder ein junger Mann im Alter von 18 Jahren grundsätzlich in seinem Entwicklungspotenzial durch einen Schulabschluss bereits eingeschränkt werden soll. Es liegt an den Einrichtungen und den Schulen Interessenten umfassend zu beraten, Potenziale zu analysieren und letztlich die geeigneten Kandidaten auszuwählen. Nicht jede Pflegefachkraft muss zwingend eine Karriere als Manager oder als Wissenschaftler anstreben. Hilfebedürftige Menschen, die Pflege in Anspruch nehmen, benötigen vor allen Dingen gut ausgebildete Pflegefachkräfte vor Ort an ihrer Tür/ ihrem Bett. Sollte in der Ausbildung festgestellt werden, dass erforderliche Fähigkeiten zum Beispiel in Deutsch nicht ausreichend vorhanden sind, wäre hier der Weg, entsprechende Nach- und Parallelqualifizierungsangebote zu entwickeln (Deutschkurse). Wir würden es begrüßen, wenn die Berufsverbände ihre Energien mehr auf das aktuelle Ausbildungsniveau in den Fachseminaren und Krankenpflegeschulen richten würden und das Niveau dort unter dem Blickwinkel der Anforderungen in der Praxis und unter Berücksichtigung der Lebensrealitäten flächendeckend anheben würden.
Hintergrundinformationen
Änderung im Krankenpflegegesetz | | Krankenpflegegesetz (KrPflG) in der Fassung zuletzt geändert durch Artikel 12a G. v. 17.07.2009 BGBl. I S. 1990 mWv. 23.07.2009
§ 5 Voraussetzungen für den Zugang zur Ausbildung Voraussetzung für den Zugang zu einer Ausbildung nach § 4 Abs. 1 ist, 1. dass die Bewerberin oder der Bewerber nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ungeeignet ist und 2. der Realschulabschluss oder eine andere gleichwertige, abgeschlossene Schulbildung oder 2a. den erfolgreichen Abschluss einer sonstigen zehnjährigen allgemeinen Schulausbildung oder 3. der Hauptschulabschluss oder eine gleichwertige Schulbildung, zusammen mit a) einer erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung mit einer vorgesehenen Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren oder b) einer Erlaubnis als Krankenpflegehelferin oder Krankenpflegehelfer oder einer erfolgreich abgeschlossenen landesrechtlich geregelten Ausbildung von mindestens einjähriger Dauer in der Krankenpflegehilfe oder Altenpflegehilfe.
§ 26 Befristung § 5 Nummer 2a tritt am 31. Dezember 2017 außer Kraft.
§ 27 Evaluation Das Bundesministerium für Gesundheit erstattet dem Deutschen Bundestag bis zum 31. Dezember 2015 über die Erfahrungen, die mit der Anwendung des § 5 Nummer 2a gemacht wurden, Bericht. | mehr Infos zum KrPflG | | www.buzer.de/gesetz/6634/l.htm | | | | Pressemitteilung des Bundesinstituts für Berufsbildung | | Hauptschüler als Altenpfleger? [...] Allerdings greift diese Regelung nur in den wenigen Bundesländern, in denen die Hauptschule die zehnte Klasse beinhaltet. Der meist übliche, erweiterte Hauptschulabschluss mit einem zusätzlichen zehnten Schuljahr entspricht der mittleren Reife und bot somit auch schon vor der Neuregelung den Zugang zur Examensausbildung in der Altenpflege. Deshalb wird kritisch betrachtet, ob die Öffnung des Pflegeberufs als Maßnahme überhaupt ausreicht, um dem drohenden Fachkräftemangel entgegen zu treten. Eine Studie der Universität Freiburg in Kooperation mit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege kommt zu dem Ergebnis, dass sich ein großer Teil des Problems lösen ließe, wenn Altenpflegekräfte länger in ihrem Beruf tätig blieben. Altenpflegekräfte arbeiten durchschnittlich 8,4 Jahre in ihrem Beruf, Pflegekräfte in Krankenhäusern dagegen 13,7 Jahre. Bei einer derart kurzen Verweildauer im erlernten Beruf liegt der Verdacht nahe, dass dieser Situation schlechte Arbeitsbedingungen zu Grunde liegen. Mit der Öffnung der Altenpflege-Ausbildung für weitere Zielgruppen wird möglicherweise von diesem Umstand abgelenkt. Pressemitteilung der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege | | | Altenpflegeausbildung: Einstiegsqualifizierung mit Qualibausteinen Von Mai bis August 2009 entwickelte das Institut für berufliche Bildung, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik (INBAS) in Kooperation mit dem Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung (dip) praxisrelevante Qualifizierungsbausteine für Einstiegsqualifizierungen in der Altenpflege.
Auf der Grundlage des Altenpflegegesetz und der entsprechenden Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für den Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers wurde ein Themen- und Tätigkeitsspektrum identifiziert, das Teile des Altenpflegeberufes abbildet und für die Einstiegsqualifizierung nutzbar macht.
Die praxisrelevanten Qualifizierungsbilder wurden von Vertreterinnen und Vertretern aus Altenpflegeeinrichtungen, Altenpflegeschulen, Verbänden, der Bundesagentur für Arbeit sowie den Ministerien und zuständigen Stellen der Bundesländer diskutiert und weiterentwickelt und sind nach Berufsausbildungsvorbereitungs-Bescheinigungsverordnung (BAVBVO) bundesweit gültig. www.altenpflegeausbildung.net
Die vier neuen Qualifizierungsbausteine sind in die GPC-Datenbank eingetragen worden:
"Alte Menschen bei der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme unterstützen", Altenpfleger/Altenpflegerin www.good-practice.de/bbigbausteine/search.php?action=view&qb2_baustein_id=697
"Alte Menschen bei der wohn- und lebensraumbezogenen Alltagsbewältigung unterstützen", Altenpfleger/Altenpflegerin www.good-practice.de/bbigbausteine/search.php?action=view&qb2_baustein_id=698
"Alte Menschen bei ihrer Tagesgestaltung unterstützen", Altenpfleger/Altenpflegerin www.good-practice.de/bbigbausteine/search.php?action=view&qb2_baustein_id=699 "Alte Menschen in ihrer Beweglichkeit im Rahmen der Selbstpflege fördern und unterstützen", Altenpfleger/Altenpflegerin www.good-practice.de/bbigbausteine/search.php?action=view&qb2_baustein_id=700
| | | Quelle: gpc-newsletter92; Dr. Ursula Bylinski; Tel: 0228/107 2628; Fax: 0228/107 2886; Bundesinstitut für Berufsbildung; Good Practice Center; 53043 Bonn; 6.10.2009
| Aufruf des DBFK im Juli 2009 | | Vor einigen Wochen hat die Bundesregierung im Rahmen einer Änderung des Arzneimittelgesetzes Veränderungen im Krankenpflege- und Altenpflegegesetz vorgenommen. Für beide Berufsgruppen wurden die Zugangsvoraussetzungen zur Ausbildung auf den Hauptschulabschluss nach zehn Schuljahren abgesenkt. Damit haben sich die Abgeordneten der Regierungsfraktionen über alle im Vorfeld massiv geäußerten Bedenken und kritischen Stellungnahmen der überwiegenden Mehrzahl der Pflegenden, vieler Gesundheitsexperten und –politiker und der Pflegeberufsverbände hinweggesetzt. Wir meinen: Dies ist kein Beitrag zur Lösung der Probleme der Pflegeberufe oder der pflegerischen Versorgung unserer Bevölkerung, sondern der Versuch, strukturelle Defizite in der Schulbildung über Berufsgesetze zu kompensieren. Der Petitionsausschuss prüft nun formal die Zulässigkeit der Petition. Dies dauert etwa drei Wochen. Danach besteht für sechs Wochen die Möglichkeit online die Petition zu unterstützen. Dabei müssen innerhalb der ersten drei Wochen mindestens 50.000 Unterzeichner (online) erreicht werden, damit die Petition die nächste Hürde nimmt und es zu einer Anhörung kommt.
Bitte machen Sie schon jetzt bei Ihren Kontakten darauf aufmerksam, dass hoffentlich Mitte/Ende August ein Aufruf unter www.dbfk.de zur Zeichnung der Petition kommen wird. Zur Mitzeichnung ist eine vorherige Registrierung auf der Website des Petitionsausschuss erforderlich: https://epetitionen.bundestag.de/ | | | Quelle:Johanna Knüppel | Referentin | Redaktion DBfK Aktuell | Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe - Bundesverband e.V.;www.dbfk.de | Salzufer 6 | 10587 Berlin | Fon 030-219157-0 | Fax 030-219157-77 | Umsatzsteuer Id.Nr. DE 114235140. E-Mail vom 30.7.2009 |
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